Head:
Bio-, Öko-, Passiv- und Nullenergiehäuser
Subhead:
Kann der heutige Bauunternehmer solchen Trends folgen?
Verfasser:
Dipl.-Ing. Bernhard Schlötzer, München
Einleitung:
Neue
Wortschöpfungen für energiesparende Bauweisen sind heute schnell geboren.
Innovative Entwickler könnten heute mit hochentwickelter Software neue
Wohnhaustypen kreieren und bauphysikalische Institute in mehrjährigen
Meßreihen Muster- und Typenhäuser mit neuesten Ergebnissen präsentieren. Kann
aber der kleine Maurermeister oder mittelständische Bauunternehmer mit der
Ausbildung und der Erfahrung seiner Mitarbeiter in naher Zukunft diesem Trend
folgen?
Ist er
auch in der Lage Baustellenabläufe logistisch zu optimieren? Sicherlich wird
entscheidend sein, ob es gelingt, dass alle an einer solchen Bauweise
Beteiligten das erstellte Konzept an den entsprechenden Schnittstellen
ausführungssicher und qualitativ hochwertig umsetzen können.
Definitionen:
Vorsorge
zum Schutz der Umwelt, Schonung wertvoller Ressourcen und das Gebot nach kostengünstigem
Wohnen – das sind die zentralen Aufgaben, die mit der Forderung nach energiesparendem
Bauen einhergehen.
Bio- und Ökohäuser
waren vor
ca. 15 Jahren ein erster Ansatz um einerseits umweltverträgliche Baustoffe
zu fördern und andererseits die energiesparende Komponente zu berücksichtigen.
Schnell war aber zu erkennen, dass werbliche Aspekte und marketingbeeinflusste
Begriffe im Vordergrund standen.
Im Vorfeld
der Wärmeschutzverordnung mit Inkrafttreten ab 1.Januar 1995 entstand der
Begriff „Niedrigenergiehäuser“. Deren Standard wird ausschließlich durch deren
Energiebedarf definiert. Eine einheitliche Definition eines Kennwertes
derartiger Häuser existiert allerdings bis heute noch nicht. In Fachkreisen herrscht jedoch Einigkeit darüber,
dass der rechnerische Heizwärmebedarf
dieser Häuser etwa 50 Prozent unter dem des aus der Wärmeschutzverordnung von
1984 resultierenden Bedarf liegen sollte. Der Heizenergiebedarf von
Niedrigenergiehäusern ist somit auf weniger als ein Drittel des Bedarfs durchschnittlichen Gebäudebestandes verringert worden. Dem
vormaligen Nebeneinander unterschiedlicher Anforderungen und Nachweisverfahren
wird derzeit vor dem Hintergrund der bevorstehenden Energieeinsparverordnung
(EnEV) zur Mitte des Jahres 2001 ein einheitliches Anforderungsniveau und vor
allem ein allgemeingültiges Bewertungsverfahren gegenüber gestellt.
Hervorgehoben wird der integrale Ansatz zur gesamtenergetischen Optimierung
eines Gebäudes unter besonderer Berücksichtigung der Anlagentechnik.
Neben dem
baulichen Wärmeschutz wird zukünftig auch geschickte Integration
energieeinsparender Heiztechnik und vor allem durch eine nutzungs- und
bewohnergerechte Konzeption eines Hauses das gewünschte Ziel einer sinnvollen
Energieeinsparung und damit die gewünschte Verminderung des CO2-
Ausstoßes nachhaltig realisiert. Damit ist die alleinige Fokussierung auf Wand,
Fenster, Dach und Boden richtigerweise vorbei.
Gleichwohl
bestand für die Baustoffindustrie der Massivbaustoffe kein Grund sich auf dem
Stand erreichter Neuentwicklungen auszuruhen. Besonders die Ziegelindustrie hat
für Bauherr und Bauunternehmer eine Entwicklungsoffensive gestartet, damit
komplette Rohbausysteme in einschaliger Bauweise oder solcher mit Wärmedämm-Verbundsystemen
ausführungssicherer als bisher
umgesetzt werden können (Abb.: 1 und 2).
Niedrigenergiehaus
Damit aber der
Bauunternehmer den Standard eines Niedrigenergiehauses qualitativ hochwertig
und kostengünstig erstellen kann, muss die angebotene Produktpalette zusätzlich
mit modernen Verlege-, Versetz- und Arbeitshilfsmitteln einfach und schnell
einsetzbar sein. Hinzu kommen noch logistische Einsparpotentiale, weil längst
nicht mehr die Baustoffpreise die Kalkulation bestimmen, sondern lohntreibende
Warte- und Ausfallzeiten. Hier gehen besonders Entwicklungen der
Ziegelindustrie – wie wandgroße Ziegelelemente aus der Fabrik, großformatige
Ziegelplanelemente 50 x 50 oder geschoßhohe Wände aus Schalungsziegeln mit
Betonverfüllung in die richtige Richtung.
Zur
Gewährleistung höherer Ausführungssicherheit hat sich seit einigen Jahren die
Anlieferung von Baustoffen im sogenannten „Paket“ als sinnvolle Variante
durchgesetzt. Das heisst z. B. das Ziegelwerk liefert für die hergestellten
Ziegelprodukte auch die zugehörige Mörtelart und Menge. Damit wird von Anfang an gewährleistet, dass
aus dem großen Angebot von Ziegelvarianten und ebenso großen Mörtelangebot die
richtige Kombination für eine Rohbauwand entsteht.
Die
Ausführungssicherheit beim Umgang mit optimierten Wandbaustoffen beeinflusst
ganz erheblich den Qualitätsstandard des Niedrigenergiehauses. Beispielhaft
sollen hier die Abdichtungsarbeiten erdberührter Wände mit flexiblen
Dichtungsschlämmen genannt werden. Wenn heute das wertvolle Untergeschoß für
Wohn-, Hobby- oder Bürozwecke genutzt wird, müssen bei Planung und Ausführung
energetische und gleichzeitig ausführungssichere Bauweisen und Produkte
zum Einsatz kommen. Besonders an später nicht mehr zugängliche
Kelleraußenwandbereiche mit Erdreichanfüllung muss die Langzeitverträglichkeit
von Untergrund und Beschichtungssystem erprobt sein. Eine Richtlinie hierzu
steht neuerdings zur Verfügung und kann u.a. beim Autor dieses Berichtes
angefordert werden.
Was der
Bauunternehmer bei Ausführung eines Niedrigenergiehauses nicht beeinflussen
kann, sind die planerischen und städtebaulichen Vorraussetzungen. Soweit es die
vorhandenen Grundstücksverhältnisse zulassen, sollen folgende Forderungen
erfüllt sein:
-
Südorientierung der Fassade mit den Hauptfensterflächen.
-
Ausreichende Gebäudeabstände zur Solarnutzung bei
tiefstehender Sonne.
-
Höchstmögliche Verdichtung durch Reihenhäuser oder
Blockbebauung.
-
Begrünung zur sommerlichen Verschattung und zur positiven
Beeinflussung des Mikroklimas.
-
Kompakte Baukörper mit möglichst großer Südfront bei
reduzierter Gebäudetiefe und gleichzeitiger Kostensenkung.
-
Keine Vor- und Rücksprünge aus der Gebäudeflucht
-
Anordnung von Pufferräumen und Räumlichkeiten
untergeordneter Nutzung auf der Nordseite.
-
Erstellung spezifischer Ausschreibungsunterlagen mit den
gewünschten Produkteigenschaften.
Neben Ausführungssicherheit, gleichbleibender Qualität und
wirtschaftlicher Erstellung müssen alle Bauausführenden weitere wichtige
Merkmale berücksichtigen:
-
Vermeiden von Wärmebrücken an Bauteilanschlüssen z. B.
Deckenaufleger, Rolladenkästen, Dachanschlüse oder Balkonlösungen.
Stahlbetonkragplatten dürfen keineswegs direkt mit der Geschoßdecke verbunden
sein.
-
Verwendung abgestimmter Baustoffe und Materialkombinationen.
Z. B. bietet heute die Ziegelindustrie eine Produktpalette im Rohdichtebereich
0,6 bis 2,00 kg/dm3 an. Der untere Bereich steht für hochwärmedämmendes Außenmauerwerk und der obere für
erhöhte schalltechnische Anforderungen zur Verfügung.
-
Einsatz hochwertigster Verglasungen in wärmedämmenden
Rahmenkonstruktionen.
-
Überwachung der Bauausführung an handwerklich komplizierten
Details wie Dachanschlüsse, Kehlgebälk, Abseiten usw.
-
Ausführung dauerhaft luft- und winddichter Anschlüsse am
Kehlgebälk, Gauben, Einbaufugen an Türen und Fenstern.
-
Überprüfung der wärmetechnischen Kennwerte anhand von
Produktbegleitzetteln und Lieferscheinen.
Für Generalunternehmer, aber auch zunehmend für den Bauunternehmer
zeichnet sich der Trend einer Qualitätsabnahme auf der Baustelle durch eine
fremdüberwachende und zertifizierende Institution ab. Diese Maßnahme hat zwei
große Vorteile, aber auch einen Nachteil:
-
Bis zur Baufertigstellung sollten in vier bis fünf Etappen
die jeweils errichteten Gewerke von unabhängigen Prüfern (z. B. TÜV od.
ähnliche) abgenommen und das Ergebnis testiert werden.
-
Bei festgestellten Mängeln kann sofort reagiert und
nachgebessert werden, weil das betreffende Gewerk noch zugänglich bzw.
erreichbar ist. Die späte Schlussabnahme lässt zunächst verdeckte Mängel nicht
erkennen und nachträgliche Mängelbeseitigung bei bewohnten Gebäuden ist
bekanntlich unverhältnismäßig teuer, ärgerlich und hat oft gerichtliche
Auseinandersetzungen zur Folge.
-
Der zweite große Vorteil liegt darin, dass bei Abschlagszahlungen
bzw. Schlussrechnungen und gleichzeitiger Vorlage solcher Testate kein Grund
zum Einbehalt irgendwelcher Geldbeträge besteht. Die Auszahlung der gesamten
Forderung muss kurzfristig erfolgen.
-
Der zunächst vermutete Nachteil ist in Wirklichkeit kein
solcher. Die entstandenen Mehrkosten für Überprüfen und Testieren können vor
Beginn der Bauarbeiten als zusätzliche Leistung vereinbart werden und werden in
der Regel vom Bauherrn akzeptiert, weil er als Gegenleistung davon ausgehen
kann, dass auch versteckte Mängel schon während der Bauphase behoben wurden.
Die eingangs gestellte Frage: „Kann der heutige Bauunternehmer solchen
Trends folgen?“ kann zumindest für den definierten Standard von
Niedrigenergie-Häusern eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. Im Vorfeld dieser
Entwicklung wurde eine Vielzahl von Pilotprojekten vom Fraunhofer-Institut für
Bauphysik meßtechnisch begleitet und analysiert. Basis hierfür waren
handwerklich sorgfältig ausgeführte Häuser in Form von Ein- und Zweifamilien-
sowie Reihenhausanlagen (Abb.: 3 und 4).
Passiv- und Null-Heizenergiehaus
Handelt es sich hier ebenfalls um marketingbeeinflusste Wortschöpfungen? Ich glaube ja!
Amortisieren
sich solche Bauweisen bei üblicher Lebensdauer? Nicht in jedem Fall!
Kann der
heutige gewöhnliche Bauunternehmer solche Standards gewährleisten? Ich weiß es
nicht!
Deshalb
sollen solche neuen Bauweisen zunächst definiert werden. Bei allen zwei
Ausführungstypen müssen die maßgeblichen Einflussfaktoren betrachtet werden.
Hierbei sind besonders der Wärmeschutz, die solaren Gewinne,
Gesamtenergiebilanzen, Verluste und Wirkungsgrad der Wärmeerzeuger sowie die
Gesamtbaukosten und die laufenden Verbrauchskosten zu analysieren. Überraschend
hoch fällt das individuelle Nutzverhalten auf. Besonders der hohe Luftwechsel
durch Fensteröffnen fällt bei allen Typen auf (Diagramm 1).
Das Passivhaus
Die
Analysen von Demonstrationsvorhaben des Fraunhofer-Institutes zeigen,
dass grundsätzlich von einem nutzerbedingten Luftwechsel durch das Fensteröffnen
auch bei Wohnungslüftungssystemen auszugehen ist. Die bei Passivhäusern
angenommenen minimalen Lüftungswärmeverluste lassen sich praktisch nicht
nachvollziehen. Daneben werden die bei den Passivhäusern ausgewiesenen
reduzierten Kosten aufgrund der Einsparung des konventionellen Heizsystems,
durch die größeren Fensterflächen und die erhöhten Kosten für größere
Installationsebenen und Brandschutzvorrichtungen für Lüftungsleitungen wieder
ausgeglichen. Bei zentral wärmeversorgten Gebäuden - wie Mehrfamilienhäuser -
lassen sich sogar erhebliche Mehrkosten erwarten. Die deutlich höheren
Energiekosten (Strom) beim Passivhaus wirken sich für diese Entwicklungsrichtung
zusätzlich nachteilig aus – so das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in ihrer
Statusanalyse [1].
Das Null-Heizenergiehaus
Diese
Entwicklungsvariante soll gänzlich ohne konventionelle Wärmeerzeugung
auskommen und komplett durch ein Solarsystem energetisch versorgt werden.
Unsere mitteleuropäischen Klimaverhältnisse machen es erforderlich, dass
solche Gebäudetypen mit einem sog. Langzeitspeicher ausgestattet sind. Damit
ein effizienter Anlagenbetrieb gewährleistet werden kann, muss der Speicher im
Inneren des beheizten Gebäudes untergebracht werden. Dieser zusätzlich
erforderliche Raumbedarf und die Investitionen für ein Solar- und
Speichersystem erhöhen die Gesamtkosten dieser Bauweise; gleichzeitig werden
die Brennstoffkosten auf Dauer vermieden.
Bauhandwerk
und Bauindustrie müssten bei der Verwirklichung dieser Entwicklung davon ausgehen, dass die gesamte Gebäudehülle
eine möglichst geringe wärmetauschende Hüllfläche haben wird und dass neu zu
entwickelnde und hochwärmedämmende Dämmstoffkonstruktionen erforderlich werden
würden. Das typische Rohbaugewerk des Bauunternehmers würde sich im wesentlichen
auf Gründungs- und Fundamentarbeiten reduzieren.
Zusammenfassung und Ausblick
Es fällt
auf, dass bei der Diskussion um neue Bauweisen allenfalls Ein- und
Zweifamilienhäuser sowie Reihenhausanlagen zur Debatte stehen. Im Hinblick auf
knappes und sehr teures Bauland wird die wirtschaftliche Geschoßbauweise
anscheinend vernachlässigt. Hier ist es nach wie vor möglich mit
verhältnismäßig kleiner Gebäudehülle und großen beheiztem Volumen
wirtschaftlichen Niedrigenergie-Hausstandard zu schaffen. Ausgereifte
Massivbaustoffe stehen ausreichend zur Verfügung und das bauausführende
Handwerk, sowie die Bauindustrie haben hierauf ihre Ausbildungsoffensive
ausgerichtet (Abb.: 5).
Das
Niedrigenergiehaus stellt keineswegs einen marketingbeeinflussten Begriff mehr
dar, sondern wird seit 1995 als förderungswürdiger Standard angesehen. Mittels
Pilotprojekten wird dieser NE-Standard zum sogenannten „3-Liter-Haus“
weiterentwickelt. Für den Bauausführenden ist jetzt schon wichtig zu wissen,
dass auch dieser neue Typus mit den innovativen Produktpaletten der
Ziegelindustrie zu bauen sein wird.
Gegenwärtige Definition zum 3-Liter-Haus:
Als 3-Liter-Häuser werden Gebäude bezeichnet,
die einen jährlichen Primärenergiebedarf je m2 Nutzfläche bei der
Beheizung des Hauses von maximal 34 kWhPrim aufweisen; dies
entspricht dem Primärenergiegehalt von 3 Litern Heizöl EL. Die Ermittlung des
Primärenergiebedarfs hat nach den europäisch harmonisierten Normen DIN 4108-6
und DIN 4701-10 zu erfolgen, die die Rechenvorschrift für die in Vorbereitung
befindliche Energieeinsparverordnung bilden. In dem Rechenwert enthalten ist
sowohl der Brennstoffbedarf für Heizzwecke, wie auch die erforderlichen
Antriebsenergien, nicht jedoch der Energiebedarf für die Warmwasserbereitung,
da dieser nicht vom Gebäude sondern vom Nutzer abhängt.
Es sei
dahingestellt, ob ein zukünftiges 3-Liter-Haus ein-, mehrschalig oder in
Verbindung mit Wärmedämmverbundsystemen gebaut werden wird, fest steht aber
schon heute, dass behagliche Wohnatmosphäre nur mit massiver
Mauerwerksbauweise entstehen kann.
Literaturquelle:
[1]
Bauphysik 1/2000
Ultrahaus,
Passivhaus oder Null-Heizenergiehaus?
Hans
Erhorn, Johann Reiß, Heike Kluttig, Runa Hellwig
Fraunhofer-Institut
für Bauphysik; Leiter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.h.c.mult. Dr.E.h. Karl
Gertis